Der Winter 1886/1887
Wie es damals bei der Eisenbahn in der Nähe von Marktschorgast zuging
Beglaubigungsurkunde dieser Erzählung
Es war kurz vor Weihnachten des Jahres 1886, als über Nacht ein heftiger Sturm losbrach. Es schneite, was vom Himmel ' runter konnte. Da drehte sich auf einmal der Wind und es regnete in Strömen. Der Regen hielt eine Stunde an. Dann fing es wieder an zu schneien, aber viel heftiger als vorher. Auf der Bahnstrecke zwischen Posten 41 und Bahnhof Falls sah man keine Telegraphenmasten mehr, vor lauter Schnee. Alle Bewohner von Marktschorgast und Umgebung waren herbeigeeilt, um den Schnee wegzuräumen. Alle 6 bis 8 Meter wurde ein Unterstand ausgehöhlt, denn beim Vorbeifahren des Zuges konnte man nicht erst über die Schneemauern steigen, sondern man stellte sich in einen solchen Unterstand. Zu den Schneeräumungsarbeiten wurde auch eine Kompanie Soldaten vom 7. Bayr.Inf.Reg. Bayreuth, eingesetzt. Das Ausschaufeln ging langsam, weil man zu der Zeit noch Holzschaufeln hatte. Man konnte auch nicht den Schnee über die Schneemauer werfen, sondern es mußten sich drei, manchmal auch vier Mann übereinander stellen, um den Schnee vom Gleis wegzubekommen. Der mittags verkehrende Schnellzug entgleiste bei der Kurve um den Goldberg. Nach drei Tagen erst konnte er wieder weiterfahren. Der Nachtgüterzug 1723 stand im Bahnhof Falls. Er konnte weder vorwärts noch rückwärts wegfahren. Man sah nur den Schlot von der Maschine. Alles andere war vom Winde mit Schnee zugeweht. Es dauerte fast zwei Tage, bis man diesen Zug ruckweise und zerteilt nach Marktschorgast brachte und wieder zusammenstellte. Zur schnelleren Ausräumung der Gleise ward auch ein Schneepflug eingesetzt, welcher aber auch nicht viel nutzte. Der Schneepflug war ein mit Steinen beschwerter R-Wagen, vorne pfeilförmig mit Bretter beschlagen, der von einer Lok geschoben wurde. Zwischen Falls und Stammbach lag der Schnee auch sehr hoch. Stellenweise waren ganze Tunnels ausgehoben. Die Eisenbahner sind 14 Tage - solange hat es gedauert, bis wieder der Verkehr auf zwei Gleisen aufgenommen wurde - nicht nach Hause gekommen. Der Erzähler dieses Erlebnisses war zu der Zeit erst 16 Jahre alt. Seine Arbeit bestand nur darin, den ganzen Tag Schnaps zuzutragen, damit sich die Schneeräumer aufwärmen konnten, denn es herrschte eine ungeheuere Kälte. Der Schnee wurde auf Wagen geladen und zur Schiefen Ebene gefahren. Dort wurde er abgeladen. Dies war nur noch der einzige Ort, wo rechts und links der Bahn keine Schneemauernwaren. Die Züge mußten mit Vorsichtsbefehl fahren. Alle 50 Meter, hauptsächlich in den Kurven, stand ein Sicherheitsposten, denn man konnte ja nicht sehen, wenn ein Zug herannahte. Das durch den Temperaturwechsel entstandene Eis zwischen den Schienen, mußte ausgepickelt werden. Die Signale konnten überhaupt nicht bedient werden. Die Züge wurden daher mit Befehl eingeholt. Geschneit und gestürmt hat es damals 3 Tage lang ununterbrochen. Der Verkehr konnte auf einem Gleis aufrecht erhalten werden. Nur an einem Tag des Stürmens blieb der Verkehr ganz stehen. Die tiefsten, bzw. höchsten Schneeanwehungen waren zwischen Goldberg und P39, sowie zwischen P41 und Bahnhof Falls und von P42 bis P43. Die damaligen Bahnwärter Dippold, P39, Oppel, P40, Ramming, P41, Walther, P42, und Meier, P43, mußten mit Leitern aus ihren Häuschen steigen. Die Schneedecke war sehr fest. Man konnte daraufgehen, wie auf einer Straße. Den 6 Meter langen Schrankenbaum bei P 41, konnte man nicht mehr sehen. In Marktschorgast, so wird erzählt, konnte ein Nachbar den anderen nicht sehen. Die Bewohner gingen auf der Straße, geradso, wie in Schützengräben. Die Brunnen im Ort waren alle zugefroren. Auf einem Haus, das an einem Berghang steht, rodelten die Kinder mit dem Schlitten das Dach herunter. Die Kälte hielt noch 5 Wochen an. Als im Frühling die Bauern säen wollten, mußten sie erst im Tiefen Graben bei Marktschorgast den Schnee ausschaufeln.
Der heurige Winter hat zwar viel Schnee und Sturm mitgebracht, aber an den Winter von 1886 / 87, sagen die Alten von Marktschorgast, dürfte er noch lange nicht hin.